Die Natur ruiniert alles?
Martina Sauer • 9. Juni 2020
Halt!
Muss es nicht eigentlich heißen: Der Mensch ruiniert alles?
Nature ruins everything? Doch es ist wohl weniger die Natur als der Mensch, der alles ruiniert. Ein Blick auf den Zustand von Umwelt und Natur lässt daran keinen Zweifel. Das Plakat vom idyllischen Bad unter Palmen und der aufrüttelnden Bildüberschrift richtet damit das Augenmerk auf das jedem von uns bekannte echte Machtverhältnis zwischen Mensch und Natur. Derart wird mit der Plakatwand Martin Bothes in der Idylle der Lichtentaler Allee zur Ausstellung über die Kulturgeschichte des Bades in der Kunsthalle Baden-Baden unserer ambivalentes Verhältnis zur Natur zum Thema, gemäß dem wir uns nach einem Einklang mit der Natur sehnen und ihn zugleich durch unser Tun zerstören.
Auf den Punkt gebracht wird dieses widersprüchliche Verhältnis zuletzt mit dem von mir geschossenen Foto des Plakats mit einer (scheinbar?) zufällig davor sitzenden älteren Person mit Maske auf einem Rollator am 26.5.2020, also mitten in der Corona-Krise. Mit Wucht weißt es uns darauf hin, dass auch wenn wir noch so zielstrebig und gewissenhaft die Natur als andersartig und uns bedrohende verfolgen und ihre Rohstoffe bedingungslos ausbeuten, uns genau das niemals wirklich gelingen kann. Denn wir sind ein Teil von ihr, und jedes Ausbeuten entspricht einem Ausbeuten von uns selbst. Wir verändern die Natur, und wir verändern uns mit ihr. Als Teil von ihr, hängen wir von ihr ab. Wir formen sie, und sie formt uns. Schmutziges Wasser, synthetische Lebensmittel, geringe Artenvielfalt - das alles wirkt auf uns zurück. Wir formen mit unserem Tun uns selbst, und die Natur - auch in Form eines Corona-Virus - formt uns mit. So wird beides, das Plakat und die Folgen des Virus zu einem aussagekräftigen Kommentar zur gegenwärtigen Krise unserer Gesellschaft, die dominiert von wirtschaftlichen Interessen, den Zusammenhang von beidem kaum mehr kennt.
Foto: Martina Sauer, 26.05.2020. Plakat von Martin Bothe in der Lichtentaler Allee vor dem Stadtmuseum zur Ausstellung in der Kunsthalle Baden-Baden, Körper. Blicke. Macht. Eine Kulturgeschichte des Bades, 7.3. - 26.7.2020.